Donnerstag, 6. Mai 2010

In Bälde an der Elbe

  • Tag: 6
  • Etappe: Friedrichsmoor - Wittenberge
  • Tagesdistanz: 103,98 km
  • Höhendifferenz: 86 Meter (Höhe von 7 Meter bis 93 Meter)
  • Gesamtanstieg: 222 Meter
  • Gesamtabstieg: 177 Meter
  • Kalorienverbrauch: 1456 kcal
    • Tag 6 begann so, wie Tag 5 geendet hatte: mit absolutem Luxus. Ein Frühstück ganz für mich allein, denn neben der Prinzessin gab es keine weiteren Gäste im Schloss. Mit silbernem Kerzenleuchter und den verschiedensten Leckereien. Ich merke immer mehr, wie wichtig für mich die richtige Mischung aus Konstanten und Abwechslung ist. Ich brauche mein tägliches Gerüst: die Art, wie ich was wohin packe, die Pausen, meine Abläufe. Aber dann muss die Würze auf diesen Einheitsbrei: die kleinen Abenteuer des Alltags. Das kann das Essen sein, ein unentdeckter Weg, eine Überraschung am Straßenrand. Ein bisschen mehr Schlaf brauche ich auch, denn der Blog hat mich zur Nachteule gemacht.



      Wie gut, dass ich gestern mal Zwangsurlaub vom Internet hatte. So startete ich ausnahmsweise ausgeschlafen in den Morgen. Der Tag versprach jedenfalls ein guter zu werden. Und so sah das auch das örtliche Käseblatt, das mir in meinem Horoskop ankündigte:

      "Dieser Tag hält einiges an Abwechslung für Sie bereit: Sonnenschein,
      Regenschauer, sogar Sturmböen, von allem ist gefühlsmäßig etwas dabei. Gute
      Unterhaltung!"

      Und gute Unterhaltung hatte ich: Der Chauffeur hatte schon das Rad vorgefahren, denn es hatte die Nacht im Pferdestall verbracht.



      Ich sorgte mich ein wenig, ob es jetzt unter Persönlichkeitsstörungen leiden würde, aber ich glaube, es hat keinen Schaden genommen. Jedenfalls hat es den ganzen Tag nicht gewiehert. Und das obwohl Tag 6 wirklich tierisch war. Die ersten 70 Kilometer sah ich keine Menschenseele. Ähnlich schien es diesen Beiden hier gegangen zu sein, denn sie starten mich an, als sei ich außerirdisch.





      Ich starrte genauso dumm zurück und so entstand eine wunderbare Freundschaft. Die Kuh an sich scheint hier in der Prignitz ein heiliges Tier zu sein. Anders kann ich mir nicht erklären, dass die Einheimischen ihre Häuser mit seltsamen Fresken schmücken.



      Um diesem Brauch gerecht zu werden, besorgte ich die entsprechenden Devotionalien im nächsten Supermarkt und gedachte alle zehn Kilometer meinen schwarzbraunen Freundinnen, indem ich mir einen Bonbon als Turboantrieb rein schob.

      Doch in der Prignitz gibt es nicht nur den Klassiker Kuh. Als ich diese schrillen Vögel sah, musste ich dringend vom Rad.



      Denn Strauß heißt auf italienisch "Struzzo". Und ich trage nämlich keine pinken Trikots, sondern nur solche im Farbton "Struzzobaby". ;-) Keine Ahnung, welcher Teufel die Marketingmenschen meiner liebsten Schweizer Radklamottenmarke geritten hat, als sie dieses Wort erfanden. Egal. Ich liebe es, denn es erfüllt alle Klanganforderungen, die ich als Wortfetischistin so stelle. Pink ist out, die Dame von Welt trägt jetzt struzzo. Mein Rad steht allerdings nicht so auf pink, sondern lieber Kopf.



      Es fiel einer Windböe zum Opfer, als ich mich mit den Straußen vergnügte. Der Inhalt meines mobilen Handtäschchens, von manchen auch profan Lenkertasche genannt, breitete sich auf der Wiese aus. Jetzt weiß ich auch wieder, was für tolle Energieshots, Kohlenhydratgele und Hirschhorntalgtuben sich darin so verstecken.

      Wildschweine habe ich keine getroffen. Ich nehme an, ich habe sie mit meinen kleinen Stimmübungen vertrieben. Wie lange habt ihr nicht mehr so richtig laut gebrüllt? Ich habe es heute probiert. Ungewohnt ist das, aber sehr befreiend. Und so schallte mein Schlachtruf: "Tirol, ich komme!!!" durch die ostdeutschen Wälder. Oh Gott, irgendwann werde ich noch eingewiesen auf dieser Tour.

      Und dann begegnete mir doch noch ein Mensch und er hielt mich offenbar noch nicht mal für sonderlich bekloppt. Sicher ist er schwerhörig.




        Viel Glück wünschte er mir für meine Reise und gutes Wetter. Kann ich beides gut gebrauchen, denn das hier ist definitiv eine Lüge.



        Aber auch Schornsteinfeger können offenbar nicht zaubern, denn als ich die Elbe erreichte, begann es zu hageln, zu stürmen und wie aus Eimern zu schütten.



        Die nächsten Tage werde ich den Deich an der Elbe nicht verlassen. Natur pur und ab und an mal ein Schiff.





        Kraniche kreisten über mir, ich sah einen Adler und auch diesen Meister Adebar.



        Gehen wir mal davon aus, dass es sich in diesem Fall nicht um ein Zeichen handelte. ;-)




      1 Kommentar:

      1. Liebe Kerstin - wart mal ab, was für seltsame Fresken dir dann wohl in Süddeutschland noch begegnen werden :)

        Bist du eigentlich schon in Verhandlungen mit G+J? Deine Texte sind herrlich! Bin gespannt, was dieser Trip noch so alles bei dir freilegt.

        Gut Radel!
        Astrid

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      Ich freue mich über eure Kommentare. Bitte habt Verständnis dafür, dass ich, um Spam zu vermeiden, diese vor ihrer Veröffentlichung überprüfen werde. Wenn die Tagesdistanz nicht allzu lang geworden ist, sollte das im Laufe eines Tages geschehen. Vielen Dank für eure Geduld.