Donnerstag, 3. Juni 2010

Zielankunft und Champagnerregen

•Tag: 31
•Etappe: Schwaz - Imst
•Tagesdistanz: 101,33 km
•Höhendifferenz: 204 Meter (Höhe von 546 Meter bis 750 Meter)
•Gesamtanstieg: 379 Meter
•Gesamtabstieg: 209 Meter
•Kalorienverbrauch: 2430 kcal


Es ist vollbracht. Das Ziel ist erreicht, der Weg beendet. Ich bin angekommen. Nach genau 31 Tagen on the road habe ich Imst erreicht. 2000 Kilometer liegen hinter mir, fast 40.000 Kalorien hat mich der Spaß gekostet. Grund genug, statt im Dauerregen mal anständig mit Champagner zu duschen.


Den ganzen Mai war ich nun unterwegs. Einerseits kommt es mir wahnsinnig lang vor, anderseits ist die Zeit nur so verflogen. So viele Erinnerungen sind in meinem Kopf und meinem Herzen gespeichert. Vieles verschwimmt und geht ineinander über, so dass ich froh bin, in diesem Blog jederzeit nachlesen zu können.

Als ich am Morgen erwachte, war ich ein wenig genervt. Schließlich parkte in der Tiefgarage des Hotels noch immer ein Rad, dem bereits vor dem Ziel die Luft ausgegangen war. Beim Frühstück merkte ich dann aber, dass andere noch verzweifelter sind. Der ältere Herr am Nachbartisch, der weder Deutsch noch Tirolerisch beherrschte, strahlte die Kellnerin an und wiederholte immer wieder: "Iiiiisch bin sexy." Die Servierdame war offenbar ähnlich irritiert wie ich, bis uns seine Begleiterin mitteilte, dass ihr Mann wohl dieses Jahr 60 geworden war.

Sprachprobleme - das kenne ich gut, seit ich die Grenze überquert habe. Gut, dass der nette Besitzer des Zweiradcenters in Schwaz trotzdem ein Herz für Neutirolerinnen hat und mein Rad wieder fit machte, auch wenn er sich normalerweise lieber um Motorräder kümmert. Und einen kleinen Einblick in die Mentalität meines zukünftigen Heimatlandes gab es gratis dazu: Was macht ein Deutscher, wenn man ihn bittet, auch die Luft am Vorderreifen zu überprüfen? Er packt seine große Maschine aus, misst den Luftdruck, pumpt etwas nach und kassiert zehn Euro. Und was macht der Tiroler? Drückt einmal auf den Reifen und sagt: "Passt scho."

Gepasst hat es dann wirklich: Die letzten 100 Kilometer nach Hause haben mein Bike und ich ohne weitere Pannen überlebt. Imst hat sich noch etwas gegen meine Ankunft gewehrt und mir heftigen Gegenwind um die Ohren geblasen. Aber nichts und niemand konnte mich mehr bremsen.

Auch in Sachen Radwege sind die Tiroler eher pragmatisch. Sie haben den Inntalradweg größtenteils gleich neben die Autobahn verlegt. So kann man die hübschen Autobahnklos gleich einer Doppelnutzung zuführen.



Gut für meine Blase, schlecht für meine Nerven. Ich drehe hier seit Stunden schon so meine Runden. Herbert Grönemeyer hatte sich offenbar vorgenommen, mich mit einem Ohrwurm auf den letzten Kilometern in den Wahnsinn zu treiben. Und ich wollte doch auf keinen Fall zu spät zu meinem Schatz kommen.

Ein wenig Abwechslung gab es in Innsbruck.

Ich mag diese Stadt, in die es mich fast beruflich verschlagen hätte, bevor ich Martin traf. Manchmal dreht auch das Leben wirklich seltsame Runden.

Die Berge wurden immer gewaltiger und höher und am Wegesrand standen die Heuballen wie Wachsoldaten zwischen den Obstbäumen.





Ein besonderer Moment, als erstmals Imst ausgeschildert war.



Die letzten Kilometer rollte ich durch die Imster Schlucht. Den wild schäumenden Inn unter mir. Endlich hörte der Wind auf, mich zu plagen. Und das ständige Auf- und Ab des Radweges brachte wieder etwas Abwechslung ins Spiel.


Als sich die Bäume lichteten, tauchte plötzlich vertrautes Terrain vor mir auf.



War es wirklich erst im März, als ich hier bei meinem ersten Besuch bei Martin aus dem Zug stieg? Ich habe das Gefühl, ihn bereits Jahre zu kennen und habe eine Klarheit in mir, wie ich sie niemals zuvor hatte. Das hier ist meine Heimat. Der Ort, an dem ich leben und der Mensch, bei dem ich sein will. Nun beginnt also mein neues Leben in Tirol. Viele Dinge sind in den nächsten Wochen zu regeln. Ein Umzug, das Einleben im neuen Zuhause, die ersten Schritte in die Selbstständigkeit, denn ich werde eine kleine, aber feine PR-Agentur gründen. Wenn die Geschäfte wider Erwarten schlecht laufen, kann ich ja immer noch, wie die anderen Migranten, eine Karriere im Erdbeerfeld anstreben.


Gut, dass das Wetter unterwegs ausreichend schlecht war, um meinen Kopf gehörig durchzupusten. Die Themen der letzten Monate sind mindestens so weit weg wie Flensburg und ich habe jeden Tag gespürt, dass ich das Richtige tue. Auch Günni hat in Imst bereits neue Freunde gefunden und hat die regionalen Sitten und Gebräuche fest in sein Leben integiert.



Das Deutschlandtrikot will er allerdings erst nach der Weltmeisterschaft ablegen. Ein bißchen Restpatriotismus muss sein.

Euch allen danke ich dafür, dass Ihr mich auf meiner Tour de Tirol so treu begleitet habt. Eure vielen Mails und Kommentare haben mich so manches Mal motiviert, wenn ich mal wieder im Regen radelte, mich die Berge hoch quälte, im Schlamm feststeckte oder kurz vorm Etappenziel eine Umleitung für weitere zehn Kilometer sorgte. Es hat großen Spaß gemacht, meine Erlebnisse mit Euch zu teilen und mir ist wieder klar geworden, wie gern ich schreibe und dass mir das beruflich in den letzten Jahren sehr gefehlt hat.

Passt auf Euch auf. Bye bye bye und keep on rollin`.

THE END

7 Kommentare:

  1. Schön, dass du gut angekommen bist, Kerstin - Ich liebe dich!

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  2. Ich stoß auf dich an, meine süße! Toll! Willkommen in deinem neuen Leben. Möge es immer schöne Wunder für dich bereit halten.
    Einen dicken Kuss :-*

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  3. Hi Kerstin,
    freue mich, dass Du endlich angekommen bist in Imst und in Deinem Leben ;-).

    Hier noch ein kleines Gedicht zum Abschluß Deiner tollen, intensiven, bereichernden und spannenden Reise. Danke, dass wird daran teilhaben durften.

    Als ich mich zu lieben begann.
    (Charlie Chaplin)


    Als ich mich zu lieben begann,
    habe ich verstanden, dass ich immer und bei jeder Gelegenheit,
    zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin und dass alles, was geschieht,
    richtig ist, von da an konnte ich ruhig sein.
    Heute weiß ich: Das nennt man Vertrauen.

    Als ich mich zu lieben begann,
    konnte ich erkennen, dass emotionaler Schmerz und Leid
    nur Warnungen für mich sind, nicht gegen meine eigene Wahrheit zu leben.
    Heute weiß ich: Das nennt man Authentisch sein.

    Als ich mich zu lieben begann,
    habe ich aufgehört, mich nach einem anderen Leben zu sehnen,
    unk konnte sehen, dass alles um mich herum eine Aufforderung zum Wachsen war.
    Heute weiß ich: Das nennt man Reife.

    Als ich mich zu lieben begann,
    habe ich aufgehört, mich meiner freien Zeit zu berauben,
    und habe aufgehört, weiter grandiose Projekte für die Zukunft zu entwerfen.
    Heute mache ich nur das, was mir Spaß und Freude macht,
    was ich liebe und was mein Herz zum Lachen bringt,
    auf meine eigene Art und Weise und in meinem Tempo.
    Heute weiß ich: Das nennt man Ehrlichkeit.

    Als ich mich zu lieben begann,
    habe ich mich von allem befreit, was nicht gesund für mich war,
    von Speisen, Menschen, Dingen, Situationen und von Allem,
    das mich immer wieder hinunterzog, weg von mir selbst.
    Anfangs nannte ich das „ Gesunden Egoismus“,
    aber heute weiß ich; Das ist Selbstliebe.


    Als ich mich zu lieben begann,
    habe ich aufgehört, immer Recht haben zu wollen,
    so habe ich mich weniger geirrt.
    Heute habe ich erkannt: Das nennt man Demut.

    Als ich mich zu lieben begann,
    habe ich mich geweigert, weiter in der Vergangenheit zu leben
    und mich um meine Zukunft zu sorgen.
    Jetzt lebe ich nur noch in diesem Augenblick, wo alles stattfindet.
    So lebe ich heute jeden Tag und nenne es Bewusstheit.

    Als ich mich zu lieben begann,
    da erkannte ich, dass mich mein Denken armselig und krank machen kann.
    Als ich jedoch meine Herzenskräfte anforderte,
    bekam der Verstand einen wichtigen Partner.
    Diese Verbindung nenne ich heute Herzensweißheit.

    Wir brauchen uns nicht weiter vor Auseinandersetzungen,
    Konflikten und Problemen mit uns selbst und anderen zu fürchten,
    denn sogar Sterne knallen manchmal aufeinander
    und es entstehen neue Welten.
    Heute weiß ich: Das ist das Leben!


    Ganz liebe Grüße und bis bald



    Hardy

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  4. Herzliche Glückwünsche natürlich auch aus Würzburg zur Ankunft am Ziel, die ja gleichzeitig wiederum der Start ins neue Leben ist!!! Wir werden heute Abend auf dich anstoßen (bei uns auf der Terrasse oder auf dem Weindorf).

    Viele liebe Grüße und weiterhin alles Gute,
    Nils

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  5. Ich freue mich so, das Du gut angekommen bist. Das liest sich so gut und das Dusch-Champagner-Foto ist auch ganz allerliebst! Du hast es Dir redlich verdient. Nicht nur radeln, durchhalten, schreiben - nein das ganze auch noch charmant und mit Witz - das muss Dir erstmal jemand nachmachen!

    Günni schaut schick aus, in seinem neuen Dress. Und ich warte sehnsüchtig, das Dir in deinem neuen Wirkungskreis genug einfällt, das Du regelmässig weiterschreibst - ein Blog mit neuem Thema? Egal wie - ich les Dich gern!

    Und bei Gelegenheit...damit auch mal ne Karte den Weg nach Ö findet...lass uns Adressen tauschen!

    Kuss von Sarah und ihrem Anhang

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  6. Ich wollte mich nicht gleich hinter die Liebeserklärung deines Martin stellen und nun stehe ich ganz am Schluß. So ist das eben ... wer zu spät kommt ... ;-)

    Bist du nicht, liebe Kerstin! Und ich freue mich sehr mit dir, dass du gut an deinem Ziel angekommen bist. Körper und Herz sind ja schon da. Die Seele mag noch ein Stück weit in Berlin sein. Gib' ihr auch die nötige Zeit. Seelen sind alt und deshalb etwas langsamer.

    Viel Freude dir im neuen Lebensabschnitt,
    herzliche Grüße Sabine

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  7. Hej,

    Schon so lange bist Du angekommen. Wäre schön Dich bald wieder zu "sehen", you know?

    Liebe Grüße von der Familie,

    Sarah

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Ich freue mich über eure Kommentare. Bitte habt Verständnis dafür, dass ich, um Spam zu vermeiden, diese vor ihrer Veröffentlichung überprüfen werde. Wenn die Tagesdistanz nicht allzu lang geworden ist, sollte das im Laufe eines Tages geschehen. Vielen Dank für eure Geduld.